Jeder ärztliche Eingriff verletzt die körperliche Integrität des Patienten und bedarf daher einer vorherigen ärztlichen Aufklärung über alle maßgeblichen Umstände: Der Patient ist einerseits so ausführlich über den Befund sowie über Art, Chancen und Risiken des Eingriffs aufzuklären, dass ein verständiger Mensch in die Lage versetzt wird.
Risiko und Tragweite des Eingriffs abzuschätzen (sog. Informed Consent). Andererseits ist der Eingriff auch tatsächlich die lege artis (darauf bezieht sich in der Regel die Einwilligung des Patienten) durchzuführen.
Beispiel: einer 64jährigen Beamtin aus Bremen soll in Krefeld operativ ein neues Knie eingesetzt werden. Die Operation ist juristisch eine Körperverletzung nach dem deutschen Strafgesetzbuch und die Staatsanwaltschaft Krefeld wird nicht tätig? Vor der Operation hat die Bremerin zugestimmt durch wirksame Aufklärung, außerdem war die Operation sachgerecht.
Konsequenzen bei mangelnder Aufklärung – Schmerzensgeld und Schadensersatz
Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, insbesondere wird der Patient nicht über alle Risiken hinreichend aufgeklärt, etwa aufgrund des Zeitdrucks im Rahmen einer Operation oder zu hoher Patienten im Wartesaal eines Arztes, so begeht der Arzt mit jedem körperlichen Eingriff eine rechtswidrige Körperverletzung. Dies zieht einen Schadensersatzanspruch des Patienten nach sich. Dieser ist neben dem Ersatz von Arztkosten für eine Folgebehandlung sowie ein entsprechender Schmerzensgeldanspruch.
Vor Gericht wird daher zumeist über Inhalt und Umfang der erfolgten ärztlichen Aufklärung gestritten. Grundsätzlich hat der Arzt eine ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten in einem Prozess nachzuweisen. Daher hat bereits der Bundesgerichtshof in einer früheren Entscheidung es jedem Arzt „dringend empfohlen“, mit vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsbögen aus Gründen der Beweisbarkeit des zumeist Vier-Augen-Gesprächs zu arbeiten.
Korrekte Aufklärung – Beweislast liegt beim Arzt
Fehlt eine derartige Dokumentation, so sprach bislang vieles für eine Darstellung des Patienten, dass auf bestimmte Fragen, insbesondere Risiken, nicht eingegangen worden ist. So dachte jüngst auch ein Patient, dem in einer Klinik eine klappentragende Prothese der Aorta ascendens eingesetzt worden ist. Diese Operation sollte unter Aufrechterhaltung des Blutkreislaufs mithilfe einer Herz-Lungen-Maschine erfolgen. Während des Eingriffs dehnte sich jedoch ein Aneurysma derart aus, dass die Operation bei abgeschalteter Herz-Lungen-Maschine mit tiefhypothermem Kreislaufstillstand fortgeführt wurde. Nach der Operation litt der Patient unter einer Nervenstörung mit Gangunsicherheit, Schwindel sowie Störungen der Augenmotorik und der Sprache. Hierfür wollte er das Klinikum haftbar machen, da der schriftliche Aufklärungsbogen nur Informationen zur Operation bei laufender Herz-Lungen-Maschine enthalten habe; über die Möglichkeit des Abschaltens der Maschine und den damit verbundenen Risiken sei er nicht aufgeklärt worden. Dem widersprachen die behandelnden Ärzte und meinten, die Aufklärung über derartige Risiken sei vor einer derartigen Operation routinemäßig immer Bestandteil der Aufklärungsgespräche; auch wenn sie sich nicht erinnern konnten, den konkreten Patienten auch hierüber aufgeklärt zu haben.
„Im Zweifel ist dem Arzt glauben zu schenken“
Diese mündlichen Angaben genügte erstaunlicherweise dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 28.01.2014, Az. VI ZR 143/13). So führte der Bundesgerichtshof aus, dass zwar die Beweislast für eine korrekte Aufklärung beim Arzt gelegen habe, aber die Gefahr bestünde, dass Patienten diese Beweislast haftungsrechtlich missbrauchen könnten. Daher sei es verständlich und müsse entsprechend gewürdigt werden, wenn der Arzt sich nicht an jedes einzelne Aufklärungsgespräch erinnern kann. Insgesamt gelte daher: „Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist.“
Hierzu Privatdozent und Rechtsanwalt Dr. Kraatz, Fachautor eines Buches zum Arztstrafrecht: „Es trifft zwar durchaus zu, dass die Erinnerung eines Patienten an den Inhalt eines Arztbesuches und insbesondere an den genauen Inhalt eines Aufklärungsgesprächs durchaus lückenhaft sein kann. Angesichts der in einem Aufklärungsgespräch, insbesondere vor einer umfassenden Operation, mitgeteilten Details sind dies so vielfältig, dass lückenhafte Erinnerungen hier durchaus vorprogrammiert sind. Dies kann jedoch nicht bedeuten, einen generellen Erfahrungssatz dergestalt aufzustellen, dass wenn ein Arzt vor einer bestimmten Operation regelmäßig über bestimmte Risiken aufklärt, dass dies auch in jedem einzelnen Aufklärungsgespräch so erfolgt. Irren ist schließlich menschlich, und so kann auch einem Arzt in der Hektik des Klinikalltags so mancher Punkt, über den aufgeklärt werden müsste, mal durchrutschen. Aus der Sicht des Bundesgerichtshofs würde jedoch jedem Arzt geglaubt, sofern er nur aussagt, dass er routinemäßig über diesen Punkt aufklärt. Rein faktisch bedeutet dies, dass ein Patient dann darlegen und beweisen müsste, über einen bestimmten Umstand gerade nicht aufgeklärt worden zu sein. Dieser Nachweis wird nur schwer zu führen sein. Insoweit wird es sich in der Zukunft anbieten, nicht alleine zu einem Aufklärungsgespräch zu gehen, um zumindest einen Zeugen zu haben. Insgesamt: eine erhebliche Schwächung der Patientenrechte und geradezu ein Hohn bzgl. des jüngst ergangenen Patientenrechtegesetzes, das insbesondere neue Regelungen zu Aufklärungs- und Informationspflichten der Ärzte beinhaltet. So ist im neuen § 630h Abs. 2 Bürgerlichen Gesetzbuches gerade geregelt, dass der Arzt zu beweisen hat, dass er den Patienten entsprechend aufgeklärt hat. Die hiermit verbundene Intention des Patientenschutzes wird durch das Urteil des Bundesgerichtshofs erheblich geschwächt.“
Selbst wenn ein Arzt keine schriftlichen Formulare benutze, müsse er vor Gericht „eine faire und reale Chance haben“, sagt der Bundesgerichtshof. Der hiermit einhergehende Vertrauensvorschuss für die Ärzte ist jedoch durch nichts gerechtfertigt. Ärzte können sich durch die Verwendung schriftlicher Formulare beweistechnisch absichern. Für den Patienten ist dies kaum möglich. Dies erschwert ärztliche Haftungsansprüche, bei sich zeigenden körperlichen Folgen auch wirklich gerichtlich durchsetzen zu können.