Ein Frontbericht von Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Berlin – zugleich Kommentar eines Urteils des Amtsgerichts Charlottenburg von Berlin
Die junge Frau Claudia studiert Jura in Bayern. Sie ist nun am Ende des zweiten Semesters. Die erste juristische Hausarbeit muss geschrieben werden, eine im öffentlichen Recht. Claudia liest den Sachverhalt und fühlt sich überfordert – wie die meisten ihrer Kommilitonen. Wie wird eine solche Hausarbeit geschrieben? Welche Formalitäten müssen eingehalten werden? Ein Schema, eine gewisse Struktur, Literaturverzeichnis, Fußnoten – das alles klingt nach viel Arbeit. Arbeit die man sich doch auch sparen könnte. Das Reitpferd wartet schließlich; der reiche Papa kann zahlen. Claudia recherchiert im Internet. Sie findet einen PR-Berater aus Berlin der auch „schriftliche Texte und Ausarbeitungen“ erstellt.
Claudia sendet dem Berater den Sachverhalt ihrer Hausarbeit. Man wird sich schnell einig. Der Berater soll ein juristisches Gutachten zu diesem Sachverhalt erstellen.
Dafür soll er 750,00 € bekommen. In seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hält der Berater allerdings fest, dass seine angefertigten schriftlichen Texte „nicht als eigene wissenschaftliche Leistung gegenüber Dritten ausgegeben werden dürfen, sondern allenfalls Grundlage für eine eigene wissenschaftliche Leistung sein können“.
Claudia bezahlt die 750,00 € und der Berater macht sich, mit Volljuristen an seiner Seite, an das Ausfertigen des Gutachtens. Das Gutachten kommt pünktlich bei Claudia an. Die Studentin geht auf Nummer sicher und liest sich die Hausarbeit lieber noch einmal durch, schließlich weiß man ja nie, was so ein Ghostwriter alles für Fehler machen kann. Als sie das Ergebnis sieht, ist sie empört – so was kann sie doch nicht abgeben! Das erfüllt doch nicht die Anforderung einer universitären juristischen Hausarbeit! Die formalen Fehler stechen förmlich ins Auge – Inhalts- und Literaturverzeichnis unvollständig, Fußnoten fehlen! Die Arbeit ist für nichts zu gebrauchen! Dies kann sogar die Claudia beurteilen. Sie ist sauer und will nun auch ihr Geld zurück. Der Berater sieht sich nicht in der Pflicht, zu zahlen. Er verweist auf die AGB. Er sollte keine wissenschaftliche Arbeit für eine Universitätsprüfung schreiben, sondern allenfalls eine Arbeitshilfe.
Claudia klagt vor dem Amtsgericht Charlottenburg und will das Geld zurück. Schließlich habe sie schon an der Uni gelernt, dass ihr ein Anspruch auf Schadensersatz wegen mangelhafter Leistung zusteht. Den macht sie nun geltend. Das Gericht ist da aber anderer Meinung. Prüfungen an der Universität müssen persönlich und ohne fremde Hilfe erbracht werden. So steht es in jeder Prüfungsordnung. Dies weiß doch jeder Jura-Student ab dem ersten Tag an der Uni!
Der Berater wird von den Rechtsanwälten Dr. Schulte und sein Team vertreten. Er erklärt, dass er die Pflichten aus dem Vertrag vollumfänglich erfüllt habe. Schließlich sei doch keine Hausarbeit geschuldet, sondern nur eine Arbeitshilfe.
Das Gericht weist die Klage der Studentin ab. Der zwischen Claudia und dem Berater geschlossene Vertrag ist sittenwidrig und damit nichtig. Juristisch gesagt ist ein Verstoß gegen die guten Sitten immer dann anzunehmen, wenn er gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Und hier wollte sich die Claudia den Prüfungserfolg dreist erschleichen. Das ist unzweifelhaft anstandslos. Dies ist auch für jeden erkennbar. Das Gericht führt im Urteil aus:
„Mit der geplanten Verwendung des Gutachtens hätte sich die Klägerin unter Verstoß gegen die Prüfungsordnung gegenüber allen anderen Prüflingen Vorteile verschaffen können und damit das Prinzip der Chancengleichheit massiv verletzt. Sie wäre dadurch in die Lage versetzt worden die ordnungsgemäße und faire Abnahme wichtiger Prüfungen zu unterlaufen. Die Umstände der Bearbeitung und die Motive waren nach alledem sittenwidrig.“
Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu, denn der Vertrag stellt für beide Seiten ein sittenwidriges Verhalten dar. Dies kann im Ergebnis durch das Gebot von Treu und Glauben korrigiert werden – da sich schließlich beide Parteien nicht ganz legitim verhalten haben. Um zum gerechten Ergebnis zu kommen ist darauf abzustellen, wer von beiden Parteien dem verbotenen Verhalten näher steht. Das Gericht sah bei der Studentin die größere Schuld und damit die Nähe zum Verbotenem. Schließlich initiierte sie den Vertragsschluss und bezweckte damit gegen die Prüfungsordnung zu verstoßen. Wer Geld zahlt in Kenntnis der Sittenwidrigkeit, darf es nicht zurückfordern.
Die Studentin ging somit leer aus. Sie verlor 750,00 € und den Schein im öffentlichen Recht musste sie im nächsten Semester nachholen.
Hoffentlich hat Claudia etwas daraus gelernt und schreibt nun alle weiteren wissenschaftliche Arbeiten bis hin zur Doktorarbeit alleine. Die Richterin hat Recht, weil sowohl der Ghostwriter als auch Claudia freche Schlawiner sind..
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