Mit der neuen Richtlinie 2014/17/EU über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher (ABl. EU Nr. L 60 S. 34) bemühte sich die Europäische Kommission, vor dem Hintergrund der Finanzkrise zur Schaffung eines Binnenmarktes über Hypothekenkredite und damit zur Finanzmarktstabilität beizutragen. Hierzu wurden zahlreiche Pflichten (insbesondere Informationspflichten) der kreditgebenden Banken bei Immobiliarkrediten, nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie nicht nur die in der bisherigen deutschen Definition des § 503 BGB vorgesehenen grundpfandrechtlich gesicherten Kredite, sondern nunmehr auch (nocht notwenig grundpfandrechtlich gesicherte) Kredite zum Erwerb oder zur Erhaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem Gebäude, vorgesehen, die von den Banken in ihre Vertriebsstrukturen eingebunden werden müssen. Hierbei gilt es jedoch jeweils zu beachten, dass die Richtlinie bis zum 21.3.2016 noch in deutsches Recht umgesetzt werden muss, wobei der deutsche Gesetzgeber an vielen Stellen einen weiten Spielraum hat, so dass die konkreten Auswirkungen der Richtlinien teilweise nur prognostiziert werden können
Kreditwürdigkeitsprüfung
Ein Schwerpunkt der Richtlinie liegt auf einer „eingehenden“ Kreditwürdigkeitsprüfung (Art. 18 der Richtlinie) auf der Grundlage hinreichender Informationen zu Einkommen, Ausgaben und Wert der Sicherungsobjekte, wobei die Bank auf den Verbraucher aber auch auf Datenbanken als Informationsquelle zurückgreifen kann. Der Verbraucher muss hier zwar mit helfen, angesichts der europäischen Bildes eines unerfahrenen Verbrauchers braucht dieser jedoch keine Frage zu beantworten, die der Kreditgeber nicht gestellt hat, so dass es der Bank obliegt, hier umfassende und klare Angaben bzw. Nachweise vor Vertragsschluss zu verlangen. Bislang existiert zwar in § 18 Abs. 2 KWG eine Kreditwürdigkeitspflicht (die nunmehr auch auf Nichtkreditinstitute auszuweiten ist, etwa durch einen Verweis auf § 509 BGB in § 503 BGB), die „Fragepflicht“ führt aber dazu, dass Banken einerseits einen Kreditvertrag nicht mehr wegen Irrtums über die Kreditwürdigung des Kunden anfechten können, wenn sie nach dem vom Kunden verschwiegenen Umstand gar nicht gefragt haben, zum anderen kann dies eine unzureichende Kreditwürdigkeitsprüfung nach sich ziehen, die zumindest aufsichtsrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Im Nachgang zum Le Crédit Lyonnais-Urteil des EuGH vom 27.03.2014 (C-565/12), wonach der nationale Gesetzgeber für die Verletzung der Kreditwürdigkeitsprüfpflichten abschreckende Sanktionen vorzusehen, wird im Schrifttum vermehrt die Einführung sogar einer Schadensersatzpflicht der Bank gefordert. Ob der deutsche Gesetzgeber eine solche auch schaffen oder sich – richtlinienkonform – auf aufsichtsrechtliche Konsequenzen beschränken wird, bleibt abzuwarten, wenngleich angesichts der starken Banken-Lobby eher mit letzterem zu rechnen ist.
Informationspflichten
Art. 14 der Richtlinie weitet die vorvertraglichen Informationspflichten aus. So müssen diese auf den Verbraucher zugeschnitten sein und diesen in die Lage versetzen, eine fundierte Entscheidung über den für ihn am besten geeigneten Kredit zu treffen. Hierbei ist zwingend das sog. ESIS-Merkblatt zu verwenden, das dem bindenden Angebot der Bank beizulegen ist. Hierbei sind die rechtlichen Begriffe der Richtlinie auch allgemeinverständlich für „Otto-Normal-Verbraucher“ zu erläutert. Auch wenn sich in Art. 247 § 2 Abs. 2 EGBGB iVm Anlage 2 bereits jetzt ein Verweis auf ESIS findet, werden die weitergehenden „allgemeinen Informationen“ in die Vertragsmuster einzubauen sein. Ob dieser „information overkill“ wirklich verbraucherschützend ist, wird abzuwarten sein.
Fremdwährungskredite
Besondere Informationspflichten bedarf es bei sog. Fremdwährungskrediten, die insbesondere durch die Schwäche des Euro sowie die jüngste Abkopplung des Schweizer Franken viele Darlehensnehmer ins Verderben gestürzt haben. Nach Art. 23 der Richtlinie müssen im ESIS-Merkblatt nicht nur die besonderen Risiken von Fremdwährungskrediten enthalten sondern, sondern der Verbraucher muss künftig auch die Möglichkeit bekommen, den Kredit auf seine Heimat-Währung umzustellen. Zudem trifft die Bank während des Vertrages eine Warnpflicht, den Verbraucher umgehend zu informieren, sofern durch die Wechselkurse die Belastung des verbrauchers um mehr als 20 % gestiegen ist. Dies bringt eine ständige Überwachungspflicht der Banken mit sich, auf die sie sich werden einstellen müssen.
Gebundene Vermittler
Kreditvermittler und Kreditberater – seien sie Mitarbeiter der Bank oder outgesourcte Diensteanbieter – müssen künftig gesetzlich verpflichtet (vermutlich durch eine gesetzliche Neuregelung, die sich an § 19 VVG orientieren wird) bei einer Bindung an einen bestimmten Kreditgeber nicht nur deren Namen offenbaren, sondern (genauso wie ungebundene Vermittler) auch die Höhe der Provision bereits vor Vertragsschluss im ESIS-Merkblatt angeben. Die Kreditberatung ist künftig strikt vom Vertrieb zu trennen und mit vergleichbaren umfassenden Informationspflichten belastet, so dass darüber nachzudenken sein wird, ob die Grundsätze eines konkludent geschlossenen Beratungsvertrages bei der Anlageberatung mit entsprechenden Haftungspflichten künftig auf die Kreditberatung zu übertragen sein werden, wie bereits vielfach gefordert wird.
Wird sich die Kreditvergabepraxis ändern müssen?
Auch wenn eine endgültige Prognose zu früh und die bereits von den Bankenverbänden ausgegene Kredit an der Richtline, bald werde es kaum noch langfristige Immobilienkredite geben, wohl stark übertrieben sein dürfte, kann es je nach der Art der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht durchaus sein, dass Immobilienkredite künftig nur nach eingehender Prüfung sowie in ihrer Zahl begrenzt vergeben werden. Dies liegt weniger an den zahlreichen Informationspflichten, denen deutsche Banken bislang eh schon nachkommen und auch nicht unbedingt an drohenden Klagewellen wegen Verletzung von Beratungspflichten vor Abschluss eines Kreditvertrages, sondern vielmehr darin, dass Art. 25 der Richtlinie ein Recht des Verbrauchers auf eine vorzeitige Rückzahlung zulässt. Bislang sieht § 503 BGB für Immobilienkredite die Nichtanwendung der unbedingten vorzeitigen Rückzahlung gegen eine (im Einzelfall nicht gerade geringe) Vorfälligkeitsentschädigung iSd § 502 BGB vor; vielmehr bedarf eine vorzeitige Rückzahlung (gegen Vorfälligkeitsentschädigung) nach der allgemeinen Regelung des § 490 Abs. 2 BGB ein „berechtigtes Interesse“. Der Hintergrund liegt in der Langfristigkeit derartiger Kredite, wo Banken sich langfristig refinanzieren und selbst bei Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung wegen der Refinanzierungstechniken auf de Sekundärmarkt zumeist einen Schaden erleiden. Sollte diese Möglichkeit der Kreditnehmer vorbehaltlos ausgestaltet werden, können Immobilienkredite künftig mit erhöhten Einnahmeverlustrisiken verbunden sein und damit unattraktiver für kreditvergebende Banken werden. Doch diese Angst wird sich wohl kaum realisieren. Denn bereits auf europäischer Ebene sprach sich das Bundesjustizministerium gegen ein vorbehaltloses Recht auf vorzeitige Rückzahlung aus und erkämpfte so mit Art. 25 Abs. 5 der Richtlinie, die vorzeitige Rückzahlung von einem „berechtigten Interesse“ abhängig zu machen, so dass sich hier entgegen zahlreicher Befürchtungen wohl doch eher nichts verändern wird. Sprich: Außer erhöhten Informationspflichten wird sich in der Kreditvergabe kaum etwas ändern!