Täglich erwartet bundesweit Betroffene unliebsame Post in ihren Briefkästen von Anwaltskanzleien, die sich auf Abmahnungen von Urheberrechtsverletzungen spezialisiert haben. Ist man bisher selbst verschont geblieben, so kennt beinahe jeder in seiner Familie, Freundes- oder Bekanntenkreis zumindest eine Person, die bereits wegen angeblichen Urheberrechtsverletzungen über das Internet abgemahnt wurde.
In den meisten Fällen sind sich die Beschuldigten jedoch sicher, selbst die vorgeworfene Urheberrechtsverletzung nicht vorgenommen zu haben. Denn welche Mittvierziger Mutter lädt sich zum Beispiel das aktuelle Album von Justin Biber von einer illegalen Plattform herunter? Somit stellt sich jedoch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen man für die Handlungen Dritter, wie zum Beispiel Kinder, Jugendlicher, Mieter oder sogar Unbekannte, haftet.
Die Reaktionen Betroffener
Aus dieser Verunsicherung heraus nehmen viele Bürger ein ihnen durch die Abmahnungskanzleien unterbreitetes und so gütig erscheinendes Vergleichsangebot an und zahlen anstandslos die vorgeschlagene einmalige Pauschale von oft mehreren hundert Euro. Für die in Massen abmahnenden Anwälte ist dies einzig und allein schnell und leicht verdientes Geld. Es ist daher nicht zu erwarten, dass dieser lukrative Geschäftszweig in naher Zukunft eingestellt wird.
Rechtliche Lage
Um dieser Verunsicherung der Bürger entgegenzutreten, wird die rechtliche Lage, vor allem auf der Grundlage des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 12.05.2010- I ZR 121/08, im Folgenden zusammenfassend dargestellt.
In dem vorgenannten Urteil des Bundesgerichtshofes galt es als erwiesen, dass sich der Beklagte zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung im Urlaub befand und sein PC in einem verschlossenen, für Dritte nicht zugänglichen Büroraum aufbewahrt wurde. Das Gericht der 2. Instanz nahm daher zu Recht an, dass die Urheberrechtsverletzung nur durch einen Dritten vorgenommen werden konnte, der die WLAN- Verbindung außerhalb des Büroraumes verwendete, um sich Zugang zum Internetanschluss des Beklagten zu verschaffen.
Den Internetanschlussinhaber, über dessen Internetprotokoll (IP)- Adresse nachweislich eine Urheberrechtsverletzung begangen wurde, trifft grundsätzlich die Vermutung, dass er auch Täter des vorgeworfenen Rechtsverstoßes ist. Dieser Vermutungswirkung kann man entgegentreten, in dem man darlegen kann, dass man zu dem genannten Zeitpunkt der Handlung selber seinen WLAN- Internetzugange nicht genutzt hat. Fand der Verstoß zum Beispiel während der nachweisbaren Arbeitszeit, während einer Auslandsreise oder zu einer jedweden anderen konkret bestimm- und beweisbaren Abwesenheit statt? Falls ja, dann scheidet bei Gelingen der Beweisführung eine Verpflichtung des Anschlussinhabers zur Zahlung von Schadensersatz aus.
Ist diese erste Hürde überwunden, so kann der WLAN- Anschlussinhaber aber noch immer in Anspruch genommen werden, wenn er seinen ihm obliegenden und zumutbaren Prüfpflichten nicht nachgekommen ist.
Im vorgenannten Urteil des Bundesgerichtshofes konnte aufgrund einer Auskunft der Deutschen Telekom AG davon ausgegangen werden, dass der WLAN- Anschluss des Beklagten zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung aktiviert war.
Sicherung und Verantwortung
Ist der WLAN- Anschluss dann nicht ausreichend gesichert, so ist der Betrieb als ursächlich für die Rechtsverletzung anzusehen. Jedermann muss heute damit rechnen, dass ein unbefugter Dritter sich Zugang zum Internetanschluss verschafft, um auf diesem Wege zum Beispiel auf der Plattform einer illegalen Tauschbörse Filme oder Musiktitel herunterzuladen oder anzubieten, ohne hierzu berechtigt zu sein.
Es liegt demnach im Verantwortungsbereich jedes Anschlussinhabers, ausreichende Sicherungsmaßnahmen am WLAN- Zugang vorzunehmen. Hierbei stellt der Bundesgerichtshof jedoch klar, dass es dem Privatnutzer eines WLAN- Anschlusses nicht zumutbar ist, die Netzwerksicherheit ständig dem aktuellsten Stand der Technik anzupassen und hierfür entsprechend tief in die Geldbörse greifen zu müssen. Allerdings ist jeder Anschlussinhaber dazu verpflichtet, zum Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers für den privaten Gebrauch die marktübliche Sicherung zweckmäßig vorzunehmen. Wichtig ist, dass diese Prüfplicht schon im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Anschluss besteht.
Der Bundesgerichtshof führt hierzu in seinem Urteil vom 12.05.2010- I ZR 121/08 in Bezug auf die durch den Beklagten verletzte Prüfpflicht aus:
„ Die Prüfpflicht des Beklagten bezieht sich aber auf die Einhaltung der im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen. Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt. Der Beklagte hat es nach dem Anschluss des WLAN-Routers bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen belassen und für den Zugang zum Router kein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben. Der Schutz von Computern, Kundenkonten im Internet und Netzwerken durch individuelle Passwörter gehörte auch Mitte 2006 bereits zum Mindeststandard privater Computernutzung und lag schon im vitalen Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer. Sie war auch mit keinen Mehrkosten verbunden.“
Interessant ist im Zusammenhang der Prüfpflicht auch ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts München vom 15.?2. 2012 – 142 C 10921/11.
Hier hat ein Vermieter seinen WLAN- Anschluss einem konkreten Mieter zugänglich gemacht. Es konnte davon ausgegangen werden, dass dieser Mieter die vorgeworfene Verletzungshandlung vorgenommen hat, da der Vermieter zu diesem Zeitpunkt nachweislich seiner Arbeit nachgegangen ist. Seiner Prüfpflicht ist der Vermieter jedoch dadurch nachgekommen, dass er nicht nur ausreichende Sicherungsmaßnahmen vornahm, sondern in dem Mietvertrag auch eine Klausel aufgenommen hat, wonach sich der Mieter u.a. dazu verpflichtete, das geltende Recht einzuhalten und den WLAN Anschluss nicht zur Verbreitung von sitten- oder rechtswidrigen Inhalten zu nutzen und keine urheberrechtlich geschützten Güter widerrechtlich vervielfältigt, verbreitet oder zugänglich macht.
Fazit:
Je nachdem, welcher Person der WLAN- Anschluss zugänglich gemacht wird, können den Anschlussinhaber entsprechende Prüf-, Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen treffen. Da sich hierzu bereits eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt hat, bedarf es in jedem Fall der rechtlichen Überprüfung der Vorwürfe, bevor anstandslos auf die Abmahnung hin gezahlt wird. Vorbeugen statt Nachsicht!
Die von einer Abmahnung Betroffenen sollten sich daher an einen fachkundigen Rechtsanwalt wenden und die Rechtmäßigkeit der Vorwürfe überprüfen lassen, um dann adäquat mit der Abmahnung umgehen zu können.